Höhlenbäche
Das Spannagelhöhlensystem ist zum größten Teil heute hydrologisch fossil. Gemeint ist hier die rasch fließende Wasserkomponente, die in der grauen Vorzeit mit großen Schüttungsmengen und unter
gänzlich anderen Rahmenbedingungen Gänge und Hallen geschaffen hat. Eine Befahrung der Höhle in ihrer ,,aktiven" Phase hätte damals einer kompletten Taucherausrüstung bedurft! Spuren dieser
ansehnlichen Wasserläufe sieht man auch nach Tausenden von Jahren in Form von Fließfacetten, an denen man Richtung und ungefähre Fließgeschwindigkeit des Wassers ablesen kann. Die heute in der
Höhle anzutreffenden Höhlenbäche sind allesamt Rinnsale im Vergleich zu dem, was sich ursprünglich in dieser Höhle abgespielt hat. So erreichen der Gneisbach - so benannt, weil er sich hart an
die Oberkante des liegenden Gneises hält - und der Kolkgangbach selbst zur Schneeschmelze nur wenige Sekundenliter. Im Spätwinter sinkt deren Schüttung auf Bruchteile davon ab, bzw. verschwindet
der Kolkgangbach gänzlich. Die Herkunft der Wässer ist gut nachvollziehbar: Der Gneisbach führt hauptsächlich Schneeschmelzwasser aus der Schneefleckhöhle und der KoIkgangbach nimmt seinen
Ursprung im Wesentlichen im Gerinne des Wasserganges des Schauhöhlenteils.
Wohin fließt nun das Wasser innerhalb der Höhle und wo tritt es wieder aus? Dieser Frage ist Ernest Jacoby seinerzeit nachgegangen, der unter der Betreuung von Georg Mutschlechner die
SpannagelhöhIe in seiner Dissertation bearbeitete (1978). Die in den Jahren 1975-77 durchgeführten Färbeversuche konnten unter anderem nachweisen, dass eine durchgängige Fließstrecke von den
obersten Höhlenabschnitten (konkret: Halle der Vereinigung) bis zur gut 500 m tiefer gelegenen Spannagel-Mündungshöhle existiert, für die das Wasser 15 Stunden brauchte. Die
Spannagel-Mündungshöhle wurde übrigens erst im Zuge dieses Tracer-Versuchs entdeckt! Somit ist die eine Hauptrichtung des Höhlensystems vorgegeben, die sich eng an die tektonischen
Lagerungsverhältnisse des Hochstegenmarmors hält. Allerdings klafft in der Exploration derzeit noch eine beträchtliche räumliche Lücke zur Spannagel-Mündungshöhle (cirka 900 m horizontal und -250
m vertikal), und ob es jemals eine gangbare Verbindung zwischen beiden Höhlen geben wird, ist fraglich. Eine zweite Entwässerung geschieht über das derzeit bekannte Westsystem, an dessen tiefster
Stelle, dem Bauchbad, ein kleiner Höhlenbach versickert. Eine weitere Entwässerung Richtung Norden ist anzunehmen, aber nicht nachgewiesen.
Sickerwässer und Sinter
Neben der rasch abfließenden Komponente gibt es noch ein breites Spektrum an Sickerwässern, die als Tropfstellen in der Höhle auftreten und die für die Sinter-Dekoration der Höhle verantwortlich
sind. Die Bandbreite reicht von korrodierenden Tropf- bis Spritzwassern, über sinterbildende Wässer bis zu ganz langsam tropfenden Stellen, an denen durch langsame Verdunstung sogar Gips
auskristalliert. Schöne Beispiele für ersteren Typ der aktiv kalklösenden Wässer finden sich im unteren Teil der Hermann-Gaun-Halle; in der Überlagerung der Spreizschlucht, oder am Aufstieg zum
Sintertor kommt man an Stellen vorbei, wo die heutigen Sickerwässer alte Tropfsteinformen ,,annagen", also ebenfalls aktiv Kalzit Iösen. Noch eindrucksvoller sind jene Stellen, an denen das
Wasser zwar den Marmor weggelöst hat, die unlöslichen Hornstein-Einschlüsse jedoch wie Messer aus der Höhlenwand ragen. In diesem Zusammenhang müssen hydrochemische Angaben berichtigt werden, die
Ernest Jacoby im Jahre 1977 erhoben hat (E. Jacoby und G. Krejci, 1992). Er berichtete, dass die pH-Werte der Höhlenwässer sauer seine (6,0 bis 6,5) und führt dies auf ebenfalls saure, das heißt
aggressive Gletscherschmelzwässer zurück. Wie systematische Wassermessungen nun gezeigt haben, dürfte hier ein methodisch-analytischer Fehler vorliegen, denn die pH-Werte der Höhlenwässer liegen
zwischen 7,9 und 8,4, also im alkalischen Bereich. Selbst bei Schneeschmelze unterschreitet der pH-Wert z.B. des Gneis-baches nie 7,9.
Eine von Fließfacetten übersäte Wand im heute trockenen Nordsystem der Spannagelhöhle. Diese asymmetrischen, durch rein chemische Lösung entstandenen Formen lassen die ehemalige Fließrichtung des
Höhlenbaches erkennen, in diesem Fall nach rechts.
Sinterbildende Tropfwässer sind in der Spannagelhöhle eher selten, in den meisten benachbarten Höhlen meist sogar überhaupt nicht anzutreffen. Das verwundert aber auch nicht, vergegenwärtigt man
sich die Höhenlage und die niederen Temperaturen. Aktive Sinterbildungen an langsam tropfenden Stellen finden sich bevorzugt im Nordsystem, sowie an einigen Stellen im Westsystem.
Langzeitbeobachtungen im Bereich Märchenwelt ergaben eine hohe Konstanz der chemischen Zusammensetzung, wie auch der Tropfrate. Die Wässer, die dort in die Höhle tropfen, haben demnach eine
Wanderung von sicherlich mehr als einem Jahr hinter sich. Anders hingegen eine ebenfalls näher untersuchte Stelle im Nordsystem (Abzweigung Porzellanladen). Dort variiert die Tropfrate
beträchtlich (zwischen 6 Sekunden und 5 Minuten) und auch die Zusammensetzung des Wassers unterliegt großen, im Wesentlichen jahreszeitlichen Schwankungen: Insgesamt also deutliche Hinweise auf
einen mehr direkten ,,Draht" zur Erdoberfläche, was in diesem konkreten Fall auch in der geringen Überlagerung von etwa 10 m seine Bestätigung findet (im Vergleich zu etwa 55 m über der
Märchenwelt). Nach hydrochemischen Berechnungen findet an dieser Stelle aktive Sinterbildung ledigllch während des Spätwinters statt.
Sinterröhrchen und kleine Stalaktite wachsen von der Decke. Auf diesen sitzen gewundene, kalzitische Formen auf, sogenannte Excentriques, wie sie auch aus Erzbergbauen seit Jahrhunderten bekannt
sind. Dort bestehen sie aus dem Mineral Aragonit und werden Eisenblüte genannt.
Schneeweiße Sinterbildungen an der Decke der sogenannten Kristallgänge, bestehend aus Sinterröhrchen und beginnenden Sintervorhängen. Bildbreite etwa 1 m.
Interessant auch die extreme dritte Form von Sickerwasser; jene, bei der sich Gipskristalle ausscheiden. Anzutreffen im Bereich der Kristallgänge und in der Schatzkammer, aber auch in
bescheidenerem Maße an etliche anderen Stellen sind schneeweiße krustenförmige Gebilde, seltener auch gesetzmäßig ausgebildete größere Kristalle. Bezeichnenderweise tritt Gips immer nur dort auf,
wo die Grenze zum hangenden Zentralgneis unmittelbar ansteht. Die Wässer lösen also ganz offensichtlich den dort vorhandenen Sulfidschwefel, oxidieren diesen und führen so sulfathältige Wässer
der Höhle zu. Es bedarf aber eines zusätzlichen Prozesses, damit sich daraus auch ein so leicht lösliches Mineral wie Gips ausscheiden kann, und zwar der langsamen Aufkonzentrierung dieser Lösung
durch Verdunstung. Das lässt sich gut in den Kristallgängen nachvollziehen, durch die die meiste Zeit im Jahr ein spürbarer Luftstrom zieht. Wenn auch Messungen dort stets Werte von mindestens
97% relativer Luftfeuchte ergaben, so muss ganz offensichtlich bereits diese geringe Verdunstung ausreichen, um die Sickerwässer so aufzukonzentrieren, dass die Löslichkeit von Gips überschritten
wird.
Lokal treten auch gefärbte Sinter auf. In diesem Beispiel (Nähe Sintertor) sind die aktiven Tropfsteine und Wandsinter durch Humusstoffe etwas braun gefärbt.
Besonderheiten in der Höhle:
Quelle: Festschrift 50 Jahre Landesverein für Höhlenkunde in Tirol